Das hatte ich auch noch nicht bei meinen vier vorherigen re:publica-Besuchen: Einen ganzen Vormittag nicht auf dem STATION-Gelände zu sein.
Abgehalten hat mich von dem Besuch eine arbeitsinterne Videokonferenz. Klar, ich hätte die Teilnahme absagen können – aber wenn ich doch der Verantwortliche für die Inhalte und Durchführung dieser seit über einem halben Jahr geplanten Konferenz mit einem Dienstleister bin!? So ist’s und es war auch gut so, wenngleich ich bei der #rp25 durchaus interessante Panels verpasst habe.
Elektroschrott – ein wachsendes Problem
Offizielle Beschreibung: „Was bleibt übrig – Elektroschrott oder Rohstoffe?“
mit: Susanne Jordan, Rosemarie Bähne, Anna Zagorski, Marina Köhn
Die Menge des Elektroschrotts steigt jedes Jahr. Die Diskussionsrunde lädt dazu ein, gemeinsam Antworten für dieses Problem zu finden. Im Fokus stehen Fragen zur Ressourcenschonung bei der Herstellung und dem Design von Hardware sowie der Verlängerung der Produktnutzung.
Kurz nach zwölf betrat ich das Veranstaltungsgelände und startete nach einem kurzen Rundumblick direkt mit dem ersten Vortrag: „Was bleibt übrig – Elektroschrott oder Rohstoffe?“ Das Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt beleuchteten, wie die immer größer werdenden Mengen an Elektroschrott entstehen, was bei der Entsorgung passiert und wie Recyclingprozesse ablaufen. Besonders alarmierend: Während das Gewicht der neu in Umlauf gebrachten Elektrogeräte stetig steigt, bleibt die Sammelmenge konstant – die Sammelquote sinkt seit 2020 rapide. Die Grafik dazu war ein echter Augenöffner:

Fediverse: Zurück in die Zukunft des sozialen Netzes
Offizielle Beschreibung: „Zurück in die Zukunft: Warum das Fediverse das neue, soziale und demokratische Netz für Europa (und die Welt) werden sollte“
mit: Melanie Bartos, Ulrich Kelber, Gavin Karlmeier, Björn Staschen, Sascha Foerster
Lange vertrauten wir unsere digitale Identitäten Social-Media-Plattformen an. Spätestens seit Musks Twitter Kauf und nun Zuckerbergs „Meta goes MAGA“ ist klar: Social-Media-Plattformen interessieren europäische Werte und die Demokratie nicht. Also muss die Zivilgesellschaft ran, mit dem Fediverse!
Nach einer kleinen Pause ging es in einer Speak Up!-Runde um’s Mastodon & Co.: „Zurück in die Zukunft: Warum das Fediverse das neue, soziale und demokratische Netz für Europa (und die Welt) werden sollte“. Stark die Initiative der Uni Innsbruck, die jedem:jeder Mitarbeiter:in über die eigene Fediverse-Instanz einen eigenen Mastodon-Account ermöglicht – und das per SingleSignOn! Einfacher geht’s nicht, finde ich!
Natürlich war dieser Talk keine Anleitung darüber, wie ich einen Mastodon-Account anlege. Aber das genau scheint doch irgendwie der Hemmschuh für viele Menschen zu sein: Welche Instanz? Wem kann ich vertrauen? So habe ich es jedenfalls in einigen anderen Veranstaltungen auch gehört. Für mich sprechen mehrere Facts für einen Fediverse-Account, u.a.:
- Keine Geschäftsinteressen der Instanzen-Betreiber. (Sie freuen sich dennoch über eine Spende, damit der Betrieb aufrecht erhalten werden kann.)
- Meine Inhalte dienen nicht dem Cashflow der Instanzen-Inhaber.
- Beiträge erscheinen in chronologischer Reihenfolge, es gibt keine algorithmische Sortierung oder Manipulation des Feeds.
- Outlinks werden also auch nicht im Ranking „bestraft“.
- Mastodon verzichtet auf Tracking und Werbung. Meine Daten gehören nicht einem Großunternehmen und werden nicht für Werbezwecke genutzt.
- Viele Instanzen pflegen einen respektvollen Umgangston und bieten eine engagierte, hilfsbereite Community.
- Die Moderation ist in der Regel näher an den Nutzern und kann schneller sowie persönlicher auf Probleme reagieren.
- „Meine“ Instanzen-Inhaber habe ich sogar schon persönlich kennengelernt.
Für mich ist das Fediverse ein Soziales Netzwerk; die Plattformen der großen BigBro-Player aus dem Silicon Valley und aus Texas nenne ich eher „Algorithm Media“.
KI und Spiritualität: Eine philosophische Diskussion
Offizielle Beschreibung: „AI und Amen? Wie spirituell kann Künstliche Intelligenz sein?“
mit: Daniela Olivares , Claudia Paganini, Nathanael Liminski, Lukas Brand
Kann Künstliche Intelligenz auch Antworten geben auf die großen Fragen? Mit diesen beschäftigen sich alle großen Religionen, nicht zuletzt mit der Frage nach Sinn. Wieweit ist KI hilfreich bei der Sinn-Suche? Braucht eine mediatisierte Gesellschaft auch eine sinngebende KI?
Den ursprünglich geplanten 15:00-Uhr-Slot habe ich kurzentschlossen sausen lassen und eine Mittagspause eingelegt.
So landete ich dann um 16:15 Uhr auf Stage 4 in der Diskussionsrunde „AI und Amen? Wie spirituell kann Künstliche Intelligenz sein?“. Inhaltlich wurden jetzt nicht unbedingt meine Erwartungen als Mitarbeiter eines katholischen Hilfswerkes erfüllt – aber interessant war die sehr philosophisch geprägte Diskussion dennoch. Die Moderatorin bezog die Zuhörenden mit zwei Mentimeter-Umfragen in den Talk ein:
Frage 1: „Welches eine Wort fällt dir ein, wenn du „KI + Spiritualität“ hörst?
Antworten (Auswahl): „deus ex machina“, „gehört zusammen“, „segens-roboter“, „göttliche Stimme“, „infragestellen“, „menschen suchen gott“, „unvereinbar“, „KI-Jesus“, „Potential“ u.v.m.
Frage 2: „Wie sollen sich die Kirchen zur KI verhalten?“
Antworten: 28 „Seid kritisch-konstruktiv!“ | 8 Nutzt vor allem die Chancen! | 3 „Weist auf die Gefahren hin!“ | 2 „Nicht euer Thema!“
Den Talk kannst du dir hier in gesamter Länge anschauen:
Ein Känguruh auf der re:publica
Offizielle Beschreibung: „Save Social – Wie bekommen wir ein besseres Netz?“
mit: Markus Beckedahl, Franziska Heine, Marc-Uwe Kling, Geraldine de Bastion
Die „Save Social“-Initiative sprach vielen aus der Seele, dass wir uns bessere Soziale Medien (zurück)wünschen. Wo sind wir gelandet und wie bekommen wir gemeinwohlorientiertere Öffentlichkeiten, die nicht in der Hand einzelner Milliardäre und ihrer politischen Agenden sind?
Den bislang witzigsten Part auf der re:publica brachte Marc-Uwe Kling mit seiner Känguruh-Lesung auf die Bühne. Sie war das Vorspiel für die Diskussionsrunde “Save Social – Wie bekommen wir ein besseres Netz?”
Nach dieser Session ist mir klar: Morgen nichts mit Fediverse! Ich habe den Eindruck (s.o.), alles Grundlegende dazu gehört zu haben. Ich teile die Ansichten, habe aber selbst irgendwie keinen Erkenntnisgewinn mehr.
Auch diese Session – Lesung und Talk – steht als Video zur Verfügung:
Myanmar, ein trauriges Kapitel
Offizielle Beschreibung: „Wie Menschenhändler in Asien durch moderne Sklaverei Milliarden erbeuten“
mit: Khesrau Behroz, Sören Musyal
In Myanmar entstehen seit Jahren Industrieparks, die immer mehr zu Städten heranwachsen. Städte, in denen moderner Sklavenhandel betrieben wird. Denn hier werden Menschen gehalten, die den ganzen Tag nichts Anderes machen, als ihre Opfer auf der anderen Seite der Welt um Milliarden zu betrügen.
Der Höhepunkt des Tages war jedoch der Vortrag zweier Podcast-Produzenten, die von ihrer Recherchereise nach Thailand an die Grenze zu Myanmar berichteten. Die erschütternden Einblicke in die skrupellose Scam-Industrie im Bürgerkriegsgebiet haben mich sprachlos zurückgelassen.
Hier unbedingt den kompletten Vortrag anschauen:
Ausklang im Spätzle-Club
Damit endet dann auch mein re:publica-Tag. In einem dem Hotel sehr nahe gelegenen Restaurant namens „Spätzle-Club“ stärkte ich mich …

… bevor ich mich im Hotel an den Blogbeitrag setzte.
Morgen gehts weiter. Bleibt dran!