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Bundestag soll am Freitag das Leistungsschutzrecht beschließen. Warum ich dagegen bin.

Was heute in der Zeitung steht? - Darüber dürfen wir erst nächstes Jahr sprechen. Das neue Leistungsschutzrecht für Verlage - Digitale Gesellschaft

Am Freitag ist es also soweit. Der Deutsche Bundestag (hier die Tagesordnung) soll in Zweiter und Dritter Lesung über das „Leistungsschutzrecht für Presseverlage“ entscheiden. Die Beratung erfolgt unter dem TOP „Urheberrechtsgesetz/Änd“ (hier die Beratungsvorlage, PDF).

Um das Ziel, „den Schutz von Presseerzeugnissen im Internet zu verbessern“, wird als einzige Möglichkeit die Einführung des Leistungsschutzrechtes (LSR) beschrieben. Dieses beinhaltet lediglich einen einzigen Lösungsvorschlag. „Alternativen: Keine“.

Schauen wir uns den Lösungsvorschlag einmal genauer an:

Mit dem Leistungsschutzrecht für Presseverlage wird den Presseverlagen das ausschließliche Recht eingeräumt, Presseerzeugnisse zu gewerblichen Zwecken im Internet öffentlich zugänglich zu machen. (…)

Um dieses ausschließliche Recht bereits heute zu genießen, gibt es technische Möglichkeiten, die es den Presseverlagen erlauben, ihre Inhalte aus den Suchmaschinen-Ergebnisse herauszuhalten. Denn genau die Suchmaschinen-Betreiber (insbes. Google) sind den Presseverlagen ein Dorn im Auge, da sie laut deren Aussagen mit der eingeblendeten Werbung Geld verdienen. Ich halte das für eine hanebüchene Argumentation. Vier Beispiele aus meiner alltäglichen Praxis:

  1. Die Google-News-Seite besuche ich fast täglich (um ehrlich zu sein: sie öffnet sich beim Browserstart auf PC und Notenbook als einer von mehreren Tabs), um das Geschehen in der Deutschland- und Weltpolitik aktuell zu verfolgen. Dabei interessieren mich nicht nur die Headlines und Anreißertexte. Ich klicke auch auf  den Titel, um zum Originalartikel zu kommen, also auf die Website des Presseverlages. Zudem habe ich einige „Google Alerts“ zu relevanten, berufsbezogenen Stichworten eingerichtet.
  2. Google verdient keinen Cent an mir, wenn ich die o.g. Google News aufrufe. In allen Browsern meiner vier Devices habe ich das Addon „Adblock Plus“ installiert, das sehr zuverlässig jegliche Werbung ausblendet. (O.k., dadurch verdienen die Presseverlage auch nichts an mir.)
  3. Aus beruflichen Gründen – und auch aus privatem Interesse – habe ich bei Twitter verschiedene Accounts aufgesetzt, die Nachrichten zu bestimmten Ländern (und Afrika) und zur kölschen Rockband BAP sammeln (mehr dazu siehe hier). Über diese Twitter-Accounts informiere ich mich über das Geschehen und greife somit auch aktiv auf die Webseiten der Presseverlage zu. Die Followerzahlen bei dem einen oder anderen Account sind m.E. nicht zu vernachlässigen. Zudem greife ich oftmals auf hier erscheinende Artikel zurück und leite die Links auf die Originalseiten der Presseverlage per E-Mail, Twitter, Facebook, Google+, quote.fm etc. an evtl. Interessierte im Freundes- und Kollegenkreis weiter.
  4. Aus den über diese Wege gesammelten Infos lege ich zur Hauptkampagne meines Arbeitgebers im „Monat der Weltmission“ eine Linkliste an, sodass sich Websitebesucher/-innen und Kolleg/-innen schnell und einfach über die unabhängige Berichterstattung zu unserer bundesweiten Kampagne informieren können.

Was passiert, wenn ich diese Möglichkeiten nicht mehr haben werde?

  1. Mein Informationsbedürfnis wird nicht mehr so umfassend gestillt, wie ich es als „mündiger Bürger“ für mich beanspruche.
  2. Google würde bei Durchsetzung des Leistungsschutzrechtes auf diesem Weg auch weiterhin keinen Cent an mir verdienen. Die Presseverlage auch weiterhin nicht.
  3. Der schnelle Zugriff auf automatisiert aggregierte Newsstreams würde durch das LSR erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht werden.
  4. Die einfachen Linklisten werde ich zukünftig wegen des zu hohen Rechercheaufwandes nicht mehr anbieten können.

Wie ich bei Durchsetzung des LSR meinem persönlichen und auch beruflichen Informationsbedürfnis weiter nachkommen kann, bleibt abzuwarten. Jedenfalls werde ich nicht die Zeit haben und/oder investieren, dazu diverse Websites tagtäglich abzusurfen, um auf dem Stand der Dinge zu bleiben. Auch ist das Papierabo für mich als quasi Dauer-Onliner keine Lösung.

Mein Appell, ja, meine Forderung an die Politik: Verzicht auf das Leistungsschutzrecht, denn es entspricht nicht dem Stand der heutigen Mediengesellschaft, die nicht nur aus Print besteht. Online ist die inzwischen bei vielen Menschen wesentlich relevantere Informations- und Bildungsquelle. Nur, weil die Presseverlage den Online-Zug und entsprechende Vermarktungsmöglichkeiten bereits am Ende des vorigen Jahrtausends verpasst haben, darf dies nicht zu Lasten der immer stärker werdenden „jungen“ Online-Generation gehen.Eine Alternative fällt mir übrigens ein, sollte das LSR beschlossen werden: Die Presseverlage bauen ein eigenes, kostenfreies Newsportal auf, auf das mit den bereits technisch eingeführten Mitteln (z.B. RSS-Feeds) auf deren Inhalte zugegriffen werden kann. Die Investitions- und Unterhaltssummen werden aber wohl die Online-Erlöse aus der dann eigenen Werbevermarktung mehr als auffressen. Also doch keine Lösung …

Was mich nun interessiert: Wie sehen Eure Praxisbeispiele aus? Wie arbeitet Ihr mit Diensten wie Google News, Google Alert, mit den Webseiten der Presseverlage?

Von Ralf Simon

... arbeitet beim katholischen Hilfswerk 'missio', ist Social-Media-affin, reist gerne mit der Bahn und ist viel rund um Aachen mit dem Fahrrad unterwegs. Zudem schlägt sein musikalisches Herz für die Kölner Band NiedeckensBAP.

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