Mitten in der um ein Jahr verschobenen EURO2020 stellen der Berliner Verlag CULTURCON medien und der Autor Paul Arns die „Fußballfibel Alemannia Aachen“ vor. Es ist der 42. Band einer Fußballkultur-Reihe, in der Fans für Fans schreiben. Ich selbst kam erstmals Ende September 2019 mit der Reihe in Berührung, als der Band 25 über den VfB Stuttgart erschien.
Die Fußballfibel wurde am Freitag, 18. Juni 2021, standesgemäß im Klömpchensklub, dem Stadionrestaurant im Tivoli, vorgestellt. In einer kurzweiligen Stunde gab der Autor mit einigen Slides Einblicke in die schwarz-gelbe Fußballfibel, in 30 Jahre seines Lebens mit der Alemannia. Es war also keine Lesung im eigentlichen Sinne, sondern eher ein offener Talk, an dem sich auch drei der vier Gastautoren sowie der Geschäftsführer des Verlages CULTURCON medien beteiligten.
Die 174 Seiten lasen sich für mich quasi in einem durch. An zwei Abenden – EURO2020 hin oder her – habe ich die Lektüre in mich hineingesogen.
Das vorgelegte Buch ist keine Darstellung der Alemannia-Geschichte an sich und erhebt auch nicht den Anspruch darauf. Es ist sehr, sehr persönlich gehalten und Paul steigt daher auch mit seinem frühesten eigenen Erlebnis, dem ersten Stadionbesuch auf dem legendären „alten“ Tivoli im April 1990, ein. Bis zum nächsten Stadionbesuch – fünf Jahre später – war Paul, egal ob Zuhause, auf Ferienfreizeit oder in den Ferien mit der Mutter, auf Videotext und Zeitung als Ergebnisdienst angewiesen. Dass er zum Beispiel kurz nach Abpfiff bei einer Schnitzeljagd das 3:0-Siegergebnis zu den Kreidezeichen für die Verfolgergruppe dazuschreibt, zeugt von großer Treue bereits in jungen Jahren.
Kind, Student und Ehrenamt
Aufgeteilt hat Paul das Buch in elf Kapitel, die er den Trainern seit 1990 gewidmet hat. Dabei hat er hier und da auch zwei oder drei Trainer in einem Kapitel zusammengefasst. Da ich ein an Fan-Jahren junger Alemannia-Fan bin, musste ich immer mal wieder nachschauen, in welcher Saison sich Paul denn gerade befindet. Vielleicht ist es aber auch gar nicht notwendig, hier und da eine Jahreszahl einzustreuen. Denn die lebhaft beschriebenen Erlebnisse sprechen für sich und sind Paul anscheinend wichtiger als Jahreszahlen. Immer wieder kommt er auf den jeweiligen Trainer und damit auch auf die Verantwortlichen in der Vereinsführung zu sprechen, die nicht selten ein unglückliches Händchen hatten.
„Ostern 2006 stand nicht nur für Auferstehung, sondern auch für Wiederaufstieg!
Eigentlich ein langweiliger Aufstieg, oder? Da wartet ein Verein 36 Jahre lang auf den Bundesligaaufstieg und dann ist es kein toller Freistoß in der letzten Minute oder ein grandioser Kantersieg, der es ermöglicht, sondern man schafft es ohne eigenes Zutun.“
Fußballfibel Alemannia Aachen, S. 83
Paul schreibt sich flüssig durch die Spielzeiten, bewertet die jeweils aktuelle Alemannia-Situation und flechtet seine Erlebnisse während der zahlreichen Auswärtsfahrten ein – in der Mitte der 2000er von Hamburg, Berlin und München bis Athen, heute eher von Erndtebrück bis Wegberg-Beeck. Als Alemannia-Fan lernt man halt zwischen UEFA-Cup, Bundesliga und Regionalliga West Metropolen und Dörfer kennen. Dies scheint mir auch die Zeit zu sein, in der Paul die Alemannia quasi lebte. Als Student hatte er viel Zeit, wenngleich ihm sein Ehrenamt auch diverse Termine in Wochenenden und auf Abendspiele legte. Überhaupt das Ehrenamt: Paul ist Jugendverbandler durch und durch und so hat er das Ehrenamt (vom Gruppenkind bis zum ehrenamtlichen Diözesanleiter der KjG Aachen) zu seinem Beruf als Referent gemacht. Und hier schließt sich dann wieder der Kreis, denn in der KjG lernte er auch seine treuen Mit-Fans kennen, mit denen er die Alemannia-Leidenschaft immer noch teilt.
Familie und Freunde
Eine weitere sehr persönlich Note erfährt die Fußballfibel durch familiäre Bezüge. So wie ihn sein Vater 1990 mit 10 Jahren erstmals auf den Tivoli mitnahm, so führt Paul auch seine zwei Jungs an die Alemannia heran. Ich habe beide schon mit schalldichten Kopfhörern auf der Tivoli-Tribüne gesehen und war dabei, als sie betrübt nach dem verlorenen Mittelrhein-Pokalfinale 2018 auf den Stehplatzstufen des Bonner Sportpark Nord saßen. Pauls Frau und sein Schwager spielen auch durchaus bedeutende Rollen, die ihm das Leben als Groundhopper vereinfachen und ermöglichen.
Linktipps:
* Paul Arns: „Fußballfibel Alemannia Aachen“, ISBN 978-3-7308-1746-9 (hier bestellen) | Leben in AC – der private Blog von Paul
* Andreas Zweigele, Sebastian Rose: „Fußballfibel VfB Stuttgart“, ISBN ISBN-10: 3944068882 (hier bestellen) | vertikalpass.de – der VfB-Blog von Andreas und Sebastian
Aufgefallen ist mir in der „Fußballfibel Alemannia Aachen“, dass der Karlsruher SC der meist erwähnte gegnerische Verein ist. Warum? Darüber gibt er keine Auskunft. Aber auch „mein“ VfB Stuttgart spielt eine gute Partie: Von der VfB-Meisterschaft erfährt Paul nach der Auswärtsniederlage beim HSV, die den Alemannia-Abstieg aus der einjährigen Bundesligazugehörigkeit 2006/07 besiegelt. Schlussendlich signiert mir Paul meine Fußballfibel mit: „Brustring geht auch in schwarz-gelb!“ Stimmt! Er kennt meine Leidenschaft für den Fünften der ewigen Bundesligatabelle.
Klömpchensklub
Erwähnenswert ist zudem noch, dass Paul vier Gastschreiber eingeladen hat, ihre Erfahrungen und Wissen in kurzen Beiträgen beizusteuern. Neben drei Fan-Kumpels konnte er auch den Alemannia-Präsidenten Dr. Martin Fröhlich gewinnen. Chapeau!
Interessieren würde mich ja, wie Pauls Gefühlswelt aussieht, wenn er heute im Supermarkt meines Vertrauens einkaufen geht. Direkt nebenan lag der Würselener Wall, den er bei seinem ersten Tivoli-Besuch 1990 mit seinem Vater bestieg. Heute ist der Stehplatz-Wall geschleift und wird aktuell mit modernen Mehrfamilienhäusern bebaut.
Mein Fazit: Für Alemannen gehört die Fußballfibel auf jeden Fall ins Bücherregal. So mancher wird sich an das eine oder andere Spiel, an die Vereinspolitik, an Spieler und Trainer erinnern und mit eigenen Erlebnissen in Verbindung bringen. Und auch sonst ist das Buch über die letzten 30 Jahres des bundesweit früher hoch angesehenen Klömpchensklubs sicherlich ein kurzweilig zu lesendes Werk.
Offenlegung/Transparenz: Die Fußballfibel erhielt ich bei der oben erwähnten Buchvorstellung kostenlos als Rezensionsexemplar. – Den Autoren Paul Arns kenne ich seit 2014. Berufliche Bezüge führten uns als Mitveranstalter im Rahmen des 2015, 2016 und 2017 organisierten Non-Profit Camps zusammen. Dabei stellten wir dann neben der Online-Affinität auch zwei weitere Gemeinsamkeiten fest: die katholische Jugendverbandsarbeit (er: KjG; ich: KLJB) und halt eben die Alemannia (er auch noch: 1. FC Köln; ich zudem: VfB Stuttgart). Wenn es denn Heimspiele auf dem Tivoli gibt, dann treffen wir uns hin und wieder im Tivoli-Block S5 und auch im mehrmals im Buch erwähnten Meisenfrei kreuzen sich unsere Wege.